Man im blauen Shirt liegt am Boden und eine Frau ruft den Rettungsdienst

Reanimation unter COVID-19 Bedingungen

Prof. Dr. Böttiger
Prof. Dr. Böttiger

Defi-Talk Sonderausgabe: Reanimation unter COVID-19 Bedingungen — zu Gast: Prof. Dr. Bernd Böttiger

Thema der Folge: Prof. Dr. Bernd Böttiger ist Direktor der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin an der Uniklinik Köln, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Rat für Wiederbelebung und ist seit Jahren in führenden Positionen des Europäischen Rat für Wiederbelebung.
Als besonders kompetenter Experte bespricht er im Gespräch mit Achim Schmitz alles rund um das Thema Reanimation unter COVID19 Bedingungen.

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Defi-Talk Logo. Oranger Hintergrund. Zwei Männer sitzen sich gegenüber, Sprechblasen zeigen einmal ein Piktogramm eines Defibrillators und einmal ein Piktogramm einer Wiederbelebungsszene mit Defibrillator.

Zusammenfassung des Gesprächs

Schmitz: Herzlich Willkommen zu einer Defi-Talk Sonderausgabe zur Reanimation unter COVID19 Bedingungen.

Unser Experte ist: Herr Prof. Dr. Böttiger. Er ist Direktor der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin an der Uniklinik Köln, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Rats für Wiederbelebung und ist seit Jahren in führenden Positionen des europäischen Rats für Wiederbelebung.

Das Corona Virus beeinflusst alle Lebensbereiche. Wir leben mit den Risiken und versuchen eine COVID19 Infektion zu vermeiden. Herr Prof. Böttiger, wie sollen wir uns verhalten, wenn wir aktuell vor der Herausforderung stehen, bei einem vom Plötzlichen Herztod Betroffenen eine Reanimation durchzuführen?

Prof. Dr. Böttiger: Ich gehe davon aus, dass mehr als hunderttausend Menschen pro Jahr auf Grund eines Herz-Kreislauf-Stillstandes sterben. Was bei uns sicher die dritthäufigste Todesursache ist.

Wir müssen jetzt mal gucken ob Corona vielleicht eine Änderung in dieser Reihenfolge herbeiführt, das kann durchaus sein, es kommt jetzt darauf an wie das weitergeht. Die entscheidende Message beim Kreislaufstillstand ist, dass man mit einfachsten Mitteln dazu beitragen kann, dass die Menschen nicht sterben, die einen Kreislaufstillstand erleiden.

Es ist wichtig zu wissen, dass bei uns in Deutschland im Mittel nach 9 Minuten der Rettungsdienst kommt. Auf dem Land und teilweise in der Stadt kann es durchaus ein bisschen länger dauern.
Wichtig zu wissen ist, dass wenn das Herz nicht mehr schlägt oder es nicht mehr richtig schlägt, das Blut nicht mehr durch den Körper und insbesondere zum Gehirn gepumpt wird. Dann wird jeder Mensch nach 10 bis 15 Sekunden bewusstlos.
Das Gehirn braucht ständig Sauerstoff und wenn das Blut nicht mehr fließt, stellt es seine Funktion ein. Nach drei bis fünf Minuten fängt es schon an zu sterben und deswegen kommt der Rettungsdienst praktisch immer zu spät. Deswegen überleben im Moment auch nur etwa 10 % der Betroffenen, also nur jeder zehnte überlebt diese tödliche Erkrankung.

Das, was man tun kann und muss, um das zu verhindern, geht nur, wenn man dabei ist und es mitbekommt. Bei ungefähr 60 bis 70 % aller Kreislaufstillstände steht jemand dabei, der sieht, wie jemand umfällt oder hört. Und nur hier kann man natürlich nur eingreifen.
Es ist auch wichtig zu wissen, gerade wenn wir das Thema Corona fokussieren, dass in normalen Zeiten über 60 % aller Kreislaufstillstände zu Hause passieren und wir wissen von Publikationen von Daten aus Italien, dass es in Zeiten von Corona noch deutlich mehr ist. Aus Norditalien wird berichtet, dass in der ersten Welle der Corona
Infektion 90 % aller Kreislaufstillstände zu Hause passiert sind. Das ist eine gute Information, wenn man so will, weil es nämlich bedeutet, dass in der Regel Familienangehörige oder Freunde betroffen sind. Gut meine ich im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Da lebt man sowieso schon in einer Gemeinschaft, in der Regel, weil es eben zu Hause passiert.
Die Gefahr sich anzustecken oder das Virus zu übertragen ist geringer. Auch hat man eine ganz andere Motivation selbst aktiv zu werden, wenn man weiß es handelt sich hier um Familienangehörige oder Freunde.

Wiederbelebung ist kinderleicht, man kann Wiederbelebung in einer Minute lernen und jeder kann es lernen.
Alles, was man dazu braucht, sind zwei Hände. Das Motto der Wiederbelebung ist „Prüfen – Rufen  – Drücken”. Prüfen heißt auf Lebenszeichen prüfen, wenn da jemand liegt, dann rüttelt, spricht und zwickt man ihn vielleicht auch mal.
Früher – vor Corona – haben wir gesagt: bitte auch die Atmung überprüfen dadurch, dass man das Ohr über Mund und Nase des Betroffenen legt, den Kopf des Betroffenen etwas nach hinten überstreckt und mit den Augen auf den Brustkorb schaut, ob der sich hebt oder senkt.
Das empfehlen wir in Corona Zeiten so nicht mehr unbedingt. Denn dabei kommt man natürlich den Menschen schon sehr nahe, wenn das jetzt allerdings ein Familienangehöriger ist, kann man das vielleicht trotzdem machen.
Auch aus der Ferne kann man überprüfen, ob jemand noch normal atmet. Das Entscheidende ist normal atmen, in vielen Fällen beim Beginn eines Kreislaufstillstandes tritt eine sogenannte Schnappatmung auf.

Wenn also tatsächlich nichts passiert beim Prüfen, das kann man in zehn Sekunden für sich feststellen, sollte man keine Zeit verlieren. Nach dem Prüfen kommt Rufen. Die 112 in Deutschland und in der Regel auch in allen anderen europäischen Ländern und dann kommt das Drücken.
Das Drücken ist auch ganz einfach und das Allerbeste ist übrigens, wenn die Rettungsleitstelle, die Sie gerade angerufen haben, ihnen dabei hilft. Vor einigen Jahren haben ungefähr 30 % aller Rettungsleitstellen in Deutschland die sogenannte Telefonreanimation angeboten.
Ich hoffe, dass das heute besser ist, es gibt Nachbarländer von uns, da ist das gesetzlich verpflichtend fürs ganze Land festgelegt. Drücken, also die Herzdruckmassage kann ganz leicht am Telefon erklärt werden.
Wenn Sie also unsicher sind wie sie das machen sollen, sage ich jedem Laien, sagen sie der Leitstelle einfach, dass die am Telefon bleiben sollen und machen Sie Ihr Handy laut, legen es neben sich und lassen es sich erklären.

Auch sollte die Person auf den Rücken liegen, dann ist es wichtig, dass man sieht, wo die beiden Brustwarzen sind. Deswegen empfehlen wir den Pullover hoch zu machen oder das Hemd aufzuknöpfen, aber jetzt nicht den Menschen irgendwie vom Oberkörper herauszuziehen. Wichtig ist zu sehen, wo die beiden Brustwarzen sind. Zur Not kann man das auch vermuten und dann muss man genau zwischen den beiden Brustwarzen, auf dem Brustbein Drücken – Entlasten und wieder Drücken  – Entlasten. Beim Erwachsenen 5 bis 6 cm tief – das ist richtig tief – und richtig fest.
Bei der Hälfte der Fälle brechen dabei auch die Rippen, das ist ganz normal, wenn es da auch knackt. Es macht aber nichts und die heilen wieder.

Am besten kniet man dabei neben den betroffenen Menschen und dann eine Hand auf den Druckpunkt legen, auf dem Brustbein, genau zwischen den Brustwarzen. Die andere Hand darauf, man kann die Finger auch verschränken, wenn man möchte. Dann mit den Schultern genau über den Druckpunkt und Arme ausgestreckt. Sodass man sozusagen auch beim Drücken die Arme ausgestreckt lässt und mit dem ganzen Körper, mit den Schultern sozusagen sich runterbewegt und wieder Drücken und dann Entlasten.
So hat man die beste Mechanik und kann es am einfachsten über längere Zeit durchführen. In der Regel ist man nach 2 Minuten auch echt ein bisschen außer Puste. Man sollte sich deshalb alle 2 Minuten abwechseln.

Was wir jetzt in Corona Zeiten an dieser Stelle auch empfehlen ist insbesondere, wenn es sich um fremde Menschen handelt, dass bevor man mit der Herzdruckmassage beginnt, den Menschen eine Maske aufsetzt, wenn sie nicht ohnehin schon eine aufhaben. Auch sollte man selbst eine Maske tragen.
Wenn man keine Maske hat, kann man auch ein Schal oder ein Tuch oder ein Kleidungsstück über Mund und Nase des Betroffenen legen. Gerade in Corona Zeiten ist natürlich Schutz wichtig. Man kann nie ausschließen, dass ein Virus auch durch eine Wiederbelebung übertragen wird.

Ich kenne eine Mutter von einem Jungen, der hier ganz in der Nähe von einer Schülerin einmal erfolgreich wiederbelebt wurde. Die Mutter hat damals mir gesagt: Wiederbelebung – zu wissen wie das geht ist eigentlich eine Bürgerpflicht. Deswegen sage ich noch mal „Prüfen – Rufen – Drücken“, ist eine Pflicht und wird nicht erst seit Corona empfohlen, sondern schon seit fast 10 Jahren.
Weil es ja auch schon früher immer für Laien abschreckend war, wenn wir gesagt haben man muss die Menschen beatmen. Man will ja vielleicht auch nicht irgendwelche wildfremden Menschen beatmen, auch früher gab es schon Bedenken, dass man sich irgendetwas an Krankheit und Erreger holen könnte.

Seit wir „Prüfen – Rufen – Drücken“ empfehlen, wie gesagt schon lange ist die Laienreanimations-Quote auch bei uns im Land deutlich hochgegangen und das rettet unglaublich viele Leben zusätzlich.
Es reicht in der Regel bis der Rettungsdienst kommt, also 8 bis 10 Minuten ist meistens noch genügend Sauerstoff im Blut. Sie müssen sich vorstellen – das Gehirn braucht ganz viel Sauerstoff und durch die Herzdruckmassage bringe ich das Blut wieder zum Fließen. Also wir übernehmen von außen die Funktion des Herzens, das im Moment nicht mehr arbeitet oder nicht mehr gut arbeitet. Damit fließt das Blut wieder und Sauerstoff aus anderen Körpergegenden kommt ins Gehirn und ich verhindere, dass das Gehirn und somit der Mensch stirbt.

Beatmen soll man auch nur, wenn man das auch möchte und auch kann. Beatmung hilft vor allen Dingen dann, wenn es länger dauert. Also ca. 8 bis 10 Minuten bis der Rettungsdienst da ist. Irgendwann ist halt auch kein Sauerstoff mehr in ausreichender Menge im Blut, dann reicht „Prüfen – Rufen – Drücken“ vielleicht auch nicht mehr aus.

Schmitz: Weitere Informationen zum Thema erhalten Sie auf unserer Webseite jedeminute unter Defi-Talk oder auch auf der Webseite des Deutschen Rat für Wiederbelebung. Dort finden Sie die Leitlinie und Handlungsempfehlung zur Reanimation. Zudem möchte ich auf die Deutsche Stiftung für Wiederbelebung aufmerksam machen.

Die Stiftung wurde von Herrn Professor Böttiger ins Leben gerufen und hat sich zum Ziel gesetzt die Überlebensrate nach einem plötzlichem Herz-Kreislauf-Stillstand zu verbessern, unter anderen durch die Förderung der Laien- und Schülerausbildung. Die Webseite können Sie unter Deutsche Stiftung Wiederbelebung aufrufen.
Ich bedanke mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Ihnen, Herrn Professor Böttiger, für das wertvolle Gespräch mit Ihnen und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

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